Brutverlauf 2019 beim neuen Weißstorchpaar in Röttenbach

Bild
Störche mit Webcam, Foto: Rainer Schulze-Kahleyss

Liebe Röttenbacherinnen, liebe Röttenbacher,

seit rund 5 Jahren hat die Gemeinde Röttenbach eine Live Webcam (Livestream) zur Beobachtung unserer Störche einige Meter über den Storchen Horst der Brauerei Sauer angebracht.

Die Beobachtung der Störche wird somit zu einem echten Erlebnis und viele Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Röttenbach sind ganz begeisterte Beobachter unserer Störche.

Die Röttenbacher Störche sind aber auch zu überregionalen „Stars" geworden. So werden Sie nicht nur auf der Webseite der Gemeinde Röttenbach übertragen, sondern z.B. auch bei wetter.com. Die Auswertung, die uns über Google Analytics von unserem technischen Betreuer jüngst übermittelt wurde, zeigen uns, dass täglich rund 13.000 – also monatlich knapp 400.000 Besucher unsere Störche beobachten. Die Verweildauer also wie lange Menschen den Störchen zusehen liegt bei knapp 10 Minuten.

Wir bekommen wöchentlich Emails zu den Störchen aus ganz Deutschland, manchmal sogar aus fernen Ländern, von Menschen, die unseren Störchen beim täglichen Leben zu schauen. Manchmal erhalten wir auch Mails mit sehr fachlich fundierten Fragen, die wir selbst nicht beantworten können. Ich möchte mich an dieser Stelle bei unserem Storchenbeauftragten Hartmut Strunz bedanken, der uns diese Aufgabe oftmals abnimmt und sehr fachkompetent antwortet. Hartmut Strunz hat auch die nachstehende Abhandlung zum Bruterfolg bei unserem neuen Weißstorchpaar verfasst – ich finde eine sehr gelungene Darstellung.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Ihr Ludwig Wahl
Erster Bürgermeister

Bruterfolg beim neuen Weißstorchpaar in Röttenbach

In Röttenbach nahm man in diesem Jahr dank, des ersehnten Bruterfolges, mit besonders großem Interesse am Geschehen der Störche, die sich seit Jahrzehnten (dokumentiert seit 1946) auf dem Kamin der Brauerei Sauer ein Nest gebaut haben. Das Nest ist von allen Seiten vom Boden aus einsehbar. Den direkten Einblick verschafft aber erst die von der Gemeinde angebrachte Kamera über das Internet. In der Vergangenheit verliefen die Bruten oft recht erfolgreich mit bis zu 5 Jungvögeln. Allerdings war das Nest 1953-1961 und 1970-1979 nicht besetzt. Damals ging der Storchenbestand in Deutschland stark zurück. Bis 2012 wurde der Brutverlauf von Jörg Straßburger dokumentiert. Seit 2013 ist Hartmut Strunz der Beauftragte der Gemeinde Röttenbach, des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern und der Ortsgruppe Röttenbach des BUND Naturschutz in Bayern für das Nest auf dem Kamin der Brauerei Sauer in Röttenbach.

Vier Jahre (2015 bis 2018) war das letzte Paar alljährlich zur Brutzeit zwar da, es kam auch zur Eiablage aber zum Bedauern vieler Röttenbacher und Internetbeobachter nicht zum Ausschlüpfen von Jungen. Offenbar war das Männchen unfruchtbar. Dank der hervorragenden Kamera konnte der Brutverlauf im Internet weltweit verfolgt werden. Zahlreich waren deshalb auch die Anfragen und zum Teil kuriosen Empfehlungen, wie mit der „Kinderlosigkeit" umgegangen werden sollte. Dabei wird dabei vergessen, dass es sich bei den Störchen um Wildtiere und nicht um Haustiere handelt, auch wenn sie so nahe bei uns wohnen. Es ist deshalb immer wieder zu betonen, dass die Tiere unter strengem Naturschutz stehen und grundsätzlich keine Rechtfertigung besteht, sich im Geschehen aktiv einzumischen – selbst in vermeintlichen Notsituationen, die nun einfach auch zur Natur gehören. Die Storchenpopulation in Bayern hat sich dank gezielter Schutz- und Hilfsmaßnahmen wieder gut erholt, so dass keine Gefahr des Aussterbens dieser Art mehr besteht. Mancherorts gut gemeinte Hilfsmaßnahmen, etwa Winterfütterungen oder gar Bergung von Jungvögeln in Regenperioden, werden von Fachleuten kritisiert, weil sie auf das natürliche Brut- und Zugverhalten Einfluss nehmen und auch rechtlich fragwürdig sind.

Nun gab es in Röttenbach endlich wieder den ersehnten Nachwuchs bei den Weißstörchen, da sich ein neues Brutpaar eingefunden hatte. Das bisherige Männchen war seit August 2018 nicht mehr am Nest gesehen worden. Das Weibchen wurde am 15. Februar unter dem Nest tot aufgefunden. Laut Untersuchungsbericht durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen war die Todesursache ein Aufprall, der u.a. zu Rippenbrüchen und innerer Verblutung führte. Nachdem dann auch, die bisher nicht erkennbaren Ringdaten beim Weibchen abgelesen werden konnten, sind nun einige Lebensdaten sowohl des alten als auch inzwischen des neuen Brutpaares von den Vogelwarten Radolfzell und Helgoland erfragt worden. Dabei stellte sich heraus, dass Weißstörche anders als oft geglaubt, alles andere als lebenslänglich partner- und standorttreu sind. Beringt wurde das verstorbene Weibchen als Nestling 1995 in Langenbrücken (Nordbaden). Mit 24 Jahren hatte es somit ein hohes Alter für Störche erreicht. Vor der Ankunft in Röttenbach gelangen Nachweise im nahen Dannberg (2002, 2004 und 2007).

Schon am 23. Februar erfolgte die Inbesitznahme des Nestes in Röttenbach durch das neue Brutpaar. Nach Ringablesung war nun auch die Herkunft beider neuer Tiere bekannt. Sie wurden 2014 als Nestlinge beringt. Das Männchen in Höchstadt/A., das Weibchen in Bad Vilbel (Bezirk Darmstadt). Das Männchen wurde 2016 in Mohrhof und 2018 in Höchstadt/A. bestätigt. Das Weibchen wurde nistend 2016 in Nürnberg-Katzwang, 2017 zunächst in Lauf/Pegnitz und kurz darauf in Nürnberg-Reichelsdorf nistend festgestellt, dort 2018 erneut. Am 5.2.2019 wurden beide an einer Winterfütterung in den Aischwiesen bei Höchstadt beobachtet. Dort war womöglich bei den gerade geschlechtsreifen Tieren die Paarbildung entstanden.

Am 29. März wurde das erste Ei gelegt und ab dem 2. April wurde mit der permanenten Bebrütung begonnen. Am 7. Mai konnten dann dank Kamera 5 Eier gezählt werden. Das Ausschlüpfen zog sich wie die Eiablage über mehrere Tage vom 2. – 7. Mai hin, entsprechend unterschiedlich entwickelten sich dann die Küken. Am 13. Mai spielte sich eine Tragödie ab, wie sie im Tierreich dennoch an der Tagesordnung ist. Die zwei schwächsten Küken wurden von den Eltern getötet, indem sie aus dem Nest geworfen wurden. Es dürfte deren Instinkt gewesen sein, dass nur die stärksten überleben und damit eine kräftige Population sichern sollten. Bei allen Tierarten erfolgt bereits im ersten Lebensjahr eine massive natürliche Auslese in verschiedenster Weise. Ein Vorgehen der Natur, dass uns Menschen immer wieder bestürzt, aber zur weiteren Evolution bei den Wildtieren – anders als bei Haustieren – erforderlich ist.

Anfang Juli begannen die Nestlinge mit ersten kurzen Rundflügen. Die Nestlingszeit war somit länger, als allgemein für die Störche mit 55-60 Tagen gerechnet wird. Das diesjährige Brutgeschehen hat zahlreiche Beobachter immer wieder an den Internet-Bildschirm gelockt und eine Vielzahl von Anfragen interessierter Beobachter, zum Teil aus weiter Ferne, ausgelöst. Derzeit (Mitte Juli) kann man noch ein reges Kommen und Gehen am Nest beobachten, weil die Jungen eifrig weitere Rundflüge unternehmen, aber noch immer wieder – spätestens zur Übernachtung – ans Nest zurückkehren. Die Altvögel bewachen die Jungen weiterhin v.a. vom Kameramasten aus, was man natürlich nur vor Ort beobachten kann. Wie bei starkem Wind wackelt dann der Kameramast, was als optische Täuschung ein Wackeln des Kamins mit dem Nest erscheinen lässt. Die Präsenz der Altvögel ist für das Brutpaar weiterhin sinnvoll, weil immer wieder Fremdstörche versuchen, das weithin sichtbare und offenbar sehr begehrte Nest zu besetzen.

Nach den Erfahrungen bei den letzten erfolgreichen Bruten kann bis etwa Mitte August damit gerechnet werden, dass die Jungstörche noch zeitweise – meist zum Übernachten – in ihr Nest zurückkehren bis deren Wegzug beginnt. Die fränkischen Jungstörche sammeln sich dann, um Richtung Südwesten (Bodensee-Elsaß – Südfrankreich - Spanien - Nordafrika) zu ziehen. In milden Wintern wird beobachtet, dass immer weniger Störche in weit entfernte Winterquartiere ziehen. Es wird damit gerechnet, dass die beiden neuen Brutstörche auch künftig bei uns überwintern, so dass auch außerhalb der Brutzeit weiterhin Beobachtungen am Nest zu erwarten sind.

H.S. 18.07.2019

Bild
Kamerabild vom 3. Juni. Altvogel (erkennbar stets an roten Beinen und rotem Schnabel) bewacht die ca. einen Monat alten Jungstörche im Nest auf dem Kamin der Brauerei Sauer in Röttenbach.
Bild
Storch auf Webcam, Foto: Rainer Schulze-Kahleyss